Salzburg: Freispruch für Mädchen, die IS-Kämpfer heiraten wollten

Sie wussten nicht, was sie taten, betonen die Verteidiger der 16- und der 18-Jährigen

Verteidiger Kurt Jelinek betritt mit seiner 18-jährigen Mandantin den Gerichtssaal. "Sie weiß nicht einmal, was Terrorismus ist", erklärte Jelinek dem Schöffensenat. Foto: APA / Barbara Gindl Salzburg – Sie wollten IS-Kämpfer heiraten und hatten sich bereits mit dem Zug auf den Weg nach Syrien gemacht, bis sie in Rumänien aufgehalten wurden: Am Freitag saßen die 16-jährige Tschetschenin aus der Stadt Salzburg und die 18-jährige gebürtige Bosnierin aus Oberösterreich vor dem Salzburger Landesgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vor. Ihre beiden Verteidiger führen an, die Mädchen hätten nicht gewusst, dass der "Islamische Staat" eine terroristische Vereinigung sei. Am 29. Dezember 2014 brachen die zwei Jugendlichen, die einander in einem Internetforum kennengelernt hatten, gemeinsam mit dem Zug über Budapest nach Sofia auf. Am Reisetag legten sie ihre Schleier ab und kleideten sich westlich, um nicht als Muslima aufzufallen, schilderte Staatsanwalt Marcus Neher die Anklage. Über die Türkei sollte es bis nach Syrien gehen, um sich dort ihren designierten Ehemännern anzuschließen. Zuvor hatten beide den Männern über Skype bereits die Hochzeit versprochen. Staatsanwalt: "Nicht so unbedarft, wie sie sich geben" "Die beiden sind nicht so unbedarft, wie sie sich in dem Verfahren geben werden", sagte Neher in seinem Eröffnungsvortrag. Man könne davon ausgehen, dass sie wussten, was bei den Mitgliedern des IS abgehe. Nicht umsonst hätten die beiden sich schon vor der Reise je einem Ehemann versprochen. "Sonst kommen sie in ein Frauenhaus. Das ist dort wie ein Selbstbedienungsladen. Eine unschöne Angelegenheit", so der Staatsanwalt. Gleichzeitig hätten sie, als sie in Rumänien angehalten wurden, ihre Handys weggeworfen, damit ihnen nichts nachzuweisen sei. Ihre Rolle in der terroristischen Vereinigung sei die "psychische Unterstützung", erklärte Neher. Die Frauen seien "ein fixer Bestandteil, um die Truppenmoral aufrechtzuerhalten", und gehörten ebenso wie die Kämpfer zur Infrastruktur der Terrororganisation.

Anwalt: 16-Jährige "naiv und unreif"

Der Verteidiger der 16-jährigen Tschetschenin, Karl Wampl, sieht die subjektive Tatseite nicht gegeben. Seine Mandantin sei nicht nach Syrien gefahren, um eine Terrororganisation zu unterstützten, "sie wusste nicht einmal, dass es eine ist". Zur Tatzeit sei das Thema in den Medien auch nicht so präsent gewesen wie heute. "Aufgrund einer schweren Traumatisierung und ihrer schulischen Defizite hat sie nicht erkannt, dass sie ein Opfer von IS-Propaganda wurde", so Wampl. Sie sei "naiv und unreif", das zeige sich etwa daran, dass sie zweimal über Skype geheiratet habe und sich einmal wieder scheiden ließ. Zudem habe sie Probleme in der Schule gehabt und sei über das Internet gemobbt worden. "Sie ist schlicht von zu Hause ausgerissen."

Verteidiger: 18-Jährige "hat sich geändert"

"Sie hat sich geändert", betonte der Verteidiger der 18-Jährigen aus Oberösterreich, Kurt Jelinek. Sie wolle auch auf alle Fragen Antworten geben. Die Reise nach Syrien sei ein "Riesenhilfeschrei eines Mädchens gewesen, das einen Ausweg suchte". Jelinek sprach von einer schwierigen Familiensituation mit einem gewalttätigen Vater mit einem Alkoholproblem. "Sie weiß nicht einmal, was Terrorismus ist", sagte Jelinek. Die versprochene Heirat mit einem 19-jährigen IS-Kämpfer sei eine Schwärmerei gewesen. Als Hochzeitsgeschenk habe ihr dieser eine Katze versprochen."

Entscheidend sei aber, dass seine Mandantin in Rumänien nicht – wie bisher behauptet – von der Polizei aufgegriffen wurde. "Sie hatte Papiere und hätte weiterfahren dürfen." Sie sei freiwillig ausgestiegen, weil sie nicht alleine habe weiterreisen wollen. Die erstangeklagte 16-Jährige habe keine Papiere besessen und sei deshalb von der rumänischen Polizei im Zug angehalten worden.

Öffentlichkeit ausgeschlossen

Für die Einvernahme der beiden Jugendlichen wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. "Weil ihr späteres Fortkommen beeinträchtigt werden kann", begründete der Vorsitzende Richter Christian Ureutz die Entscheidung des Schöffensenats. Als Zeuginnen sind auch jene beiden Mädchen geladen, die kürzlich in Graz zu 14 und zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt wurden. Die beiden Angeklagten sind am Abend nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Für den Schöffensenat war nicht nachweisbar, dass die Mädchen eine terroristische Vereinigung fördern wollten, indem sie sich als Ehefrauen angeboten haben. Staatsanwalt Marcus Neher meldete Nichtigkeitsbeschwerde an. Deshalb sind die Freisprüche nicht rechtskräftig.

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