Betrugsverdacht bei Einhebung von Ortstaxe: WKStA klagt Pinzgauer Bürgermeister an

Die Gemeinde Maria Alm soll ab Dezember 2014 rechtswidrig die Ortstaxe für insgesamt 50.231 Nächtigungen eingehoben haben. Nun klagt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an und wirft den Amtsträgern Amtsmissbrauch, schweren Betrug und Bestechlichkeit vor.

Es ist ein spezieller Fall, der am kommenden Donnerstag vor einem Schöffensenat am Landesgericht Salzburg verhandelt wird. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) klagt den aktuellen Bürgermeister von Maria Alm und seine beiden Vorgänger im Amt ebenso wie einen ehemaligen Gemeindebediensteten und ehemaligen Steuerberater eines Hotelbetriebs an.Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft ihnen Bestechlichkeit, schweren Betrug und Amtsmissbrauch vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Laut WKStA haben die Beschuldigten während ihrer jeweiligen Amtszeiten als Bürgermeister die Ortstaxe der "Clubhotel Hinterthal GmbH" rechtswidrig eingehoben. Von Dezember 2014 bis Juni 2020 kassierte die Gemeinde von der Eigentümergesellschaft des Luxusresorts in Maria Alm allgemeine Ortstaxe für pauschal 13.000 Nächtigungen im Jahr. Hochgerechnet auf den gesamten Zeitraum von knapp fünfeinhalb Jahren waren das, den Ermittlungen der WKStA zufolge, insgesamt 50.231 Nächtigungen zu viel. Für all diese zu viel gemeldeten Nächtigungen schrieben die Ortschefs aber laut Anklage dennoch die allgemeine Ortstaxe vor. Laut WKStA hat sich die Gemeinde - und in weiterer Folge der Tourismusverband - damit einen Vorteil von 74.935,70 Euro verschafft.

Wer profitierte davon?

Doch auch die Hoteleigentümer sollen profitiert haben: Der Staatsanwaltschaft zufolge meldete die Clubhotel GmbH jahrelang "freiwillig" pauschal 13.000 Nächtigungen pro Jahr an die Gemeinde. Dies sei 2014 zwischen dem damaligen Bürgermeister und dem nun ebenfalls von der WKStA angeklagten Steuervertreter der Eigentümergesellschaft vereinbart worden. Ein Mail vom Jänner 2014 belege dies. Laut Anklage hatte die Clubhotel GmbH "ein Interesse daran, dass weiterhin die allgemeine Ortstaxe vorgeschrieben wird, was gegenüber der Gemeinde mit steuerlichen Erwägungen kommuniziert wurde". Im Gesetz ist nämlich bei der Vermietung von Zweitwohnsitzen und Ferienwohnungen, die nicht "dem dauerhaften Wohnbedarf dienen", festgelegt, dass eine sogenannte besondere Ortstaxe zu entrichten ist, die für die Eigentümer gewöhnlich höher ist. Die besondere Ortstaxe ist zu Teilen an die Gemeinde und an das Land Salzburg zu entrichten. Die allgemeine Ortstaxe hingehen ist ausschließlich eine Gemeindeabgabe - das Geld bleibt also im Ort.

Gemeinde sei mit Nächtigungszahlen unzufrieden gewesen

Der damalige Bürgermeister und der mitangeklagte Spitzenbeamte sollen den "Deal" 2014 eingefädelt haben. Vor der Vereinbarung meldete das 2006 wiedereröffnete Hotel mittels Gästeblättern 462 bis 6149 Nächtigungen pro Jahr. "Mit diesen Meldungen waren die Gemeindeverantwortlichen unzufrieden", heißt es in der Anklageschrift. Man einigte sich auf eine pauschale Nächtigungszahl pro Jahr, dafür schrieb die Gemeinde eine allgemeine Ortstaxe vor. Das geschah, obwohl laut Anklage zumindest der Verdacht bestand, dass aufgrund der überwiegenden Nutzung durch die Eigentümer der Luxuslodges die Anlage keinen gewerblichen Fremdenverkehrsbetrieb darstelle und demnach laut Gesetz der besonderen Ortstaxe unterliege. Jene zwei Ortschefs, die ab 2018 im Amt folgten, führten die laut WKStA falschen Vorschreibungen weiter. Beide hätten von der Vereinbarung ihres Vorgängers gewusst. Dass sich die Gemeinde somit Jahr für Jahr unrechtmäßig bereichere, "hielten sie dabei zumindest ernstlich für möglich und fanden sich damit ab", wie es in der Anklageschrift heißt. Drahtzieher und "treibende Kraft" hinter dem Deal war den Ermittlern zufolge der mitangeklagte hohe Gemeindebeamte. Der Beamte habe die beiden nachfolgenden Bürgermeister über die Vereinbarung unterrichtet, sodass die laut Anklage rechtswidrigen Vorschreibungen fortgesetzt worden sind.

Nächtigungszahlen fließen in Statistik und in Ertragsanteile ein

Gemeinden müssen die jährlichen Übernachtungen regelmäßig an die Statistik Austria melden. Für jede Nächtigung erhalten kleinere Orte wie Maria Alm (2245 Einwohnerinnen und Einwohner) vom Bund über den Finanzausgleich Geld. Die Pinzgauer Gemeinde erhielt damit im betreffenden Zeitraum für 13.000 Nächtigungen pro Jahr Gemeindeertragsanteile, obwohl ihr ein Großteil davon laut den Ermittlungen nicht zugestanden hätte. Die WKStA wirft vier der fünf Beschuldigten - den drei Bürgermeistern und dem Spitzenbeamten - deswegen neben Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit auch schweren Betrug vor. Der angeklagte ehemalige Steuerberater der Clubhotel Hinterthal GmbH muss sich ebenfalls wegen Amtsmissbrauchs und Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Die Verhandlung ist für 16. November anberaumt.

Was sagen die Beschuldigten?

Die beschuldigten Bürgermeister und der Spitzenbeamte bestreiten sämtliche Vorwürfe. "Die in der Vereinbarung garantierte Nächtigungszahl entsprach einer durchschnittlichen, ortsüblichen Auslastung in Bezug auf die Bettenzahl des Beherbergungsgroßbetriebs", sagt ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Kurt Jelinek. Diese sei 2014 in Anwesenheit von Experten, wie dem mitangeklagten Steuerberater, entstanden. "Für die Gemeinde bestand demnach kein Grund, an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens zu zweifeln.

Gemeinde habe sich gar nicht bereichern können

Die Gemeinde habe sich zudem gar nicht bereichern können, da 96 Prozent der eingehobenen allgemeinen Ortstaxe an den Tourismusverband abgeführt worden sind. Anders als in der Anklage der WKStA vorgeworfen hätten die Beschuldigten selbst keine Ermittlungen durchführen müssen, ob die Angaben des Clubhotels der Wahrheit entsprechen. Der Betrieb sei außerdem als Großbeherbergungsbetrieb errichtet und in Betrieb genommen worden. Aus Sicht der Gemeinde war daher die allgemeine Ortstaxe zu entrichten.

Jelinek: "So werden wir keine Gemeindepolitiker mehr finden"

"Bei den gegenständlichen Lodges handelt es sich unzweifelhaft um Unterkünfte, die im Rahmen eines gewerblichen Fremdenverkehrsbetriebes angeboten wurden." Wenn die Eigentümer die Appartements selbst genutzt hatten, sei dies ebenfalls entgeltlich erfolgt, sagt Jelinek. Demnach habe die Gemeinde davon ausgehen können, dass das Hotel zur Zahlung einer allgemeinen Ortstaxe verpflichtet ist. Dass sich durch die Meldung der Nächtigungen an die Statistik Austria eine Verzerrung der Ertragsanteile nach dem Finanzausgleichsgesetz ergibt, sei den Angeklagten nicht bewusst gewesen. Im Übrigen weisen die ehemaligen bzw. der aktuelle Bürgermeister in einer gemeinsamen Stellungnahme ihres Verteidigers darauf hin, dass es vonseiten der Gemeindeaufsicht auch kein Ausbildungsangebot für Bürgermeister gebe, das ihnen die Grundlagen der Ortstaxen- oder nunmehr Nächtigungsabgabenverrechnung vermittle. "Betrachtet man das Gesamtbild, erscheint ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten völlig unlogisch." Rechtsanwalt Kurt Jelinek betont, dass sich niemand selbst bereichert habe und keiner seiner Mandanten einen Vorteil daraus gezogen hätte. "Wenn wir sowas anklagen, dann werden wir keine Bürgermeister und keine Gemeindepolitiker mehr finden. Wer soll sich denn das noch antun?" Den Fall ins Rollen brachte übrigens eine Sachverhaltsdarstellung des Landes Salzburg. Dem vorangegangen war eine Aufsichtsbeschwerde an die Gemeindeaufsichtsabteilung.

Grüne fordern, dubiosen Projekten einen Riegel vorzuschieben

Grünen-Chefin Martina Berthold meinte in einer Reaktion, dass die Vorwürfe der WKStA schwer wiegen würden. "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, so wäre das ein abstoßendes Beispiel dafür, wie Beamte und Bürgermeister sich ungeniert am Ausverkauf unserer Natur beteiligen und Chalets stillschweigend und abseits des Gesetzes fördern." Dubiosen Vereinbarungen und Projekten müsse in allen Gemeinden der Riegel vorgeschoben werden. "Hier ist die Gemeindeaufsicht des Landes und der zuständige LH-Stv. Schnöll in der Pflicht."

Daten & Fakten: Unterschiede bei der Ortstaxe

Die Ortstaxe ist eine Form der Tourismus- oder Fremdenverkehrsabgabe. Im Jahr 2020 wurde die Ortstaxe von der Salzburger Nächtigungsabgabe abgelöst. Bis dahin gab es eine allgemeine und eine besondere Ortstaxe. Die allgemeine Ortstaxe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe und wird auf Nächtigungen von Gästen eingehoben. Sie liegt zwischen 1,50 und 2 Euro pro Nacht. Die besondere Ortstaxe wird etwa für Ferienwohnungen eingehoben. Sie geht je zur Hälfte ans Land und an die Gemeinde. Die Höhe der besonderen Ortstaxe wird durch Verordnung des Bürgermeisters festgesetzt. Gemeinden hatten bis 2020 auch die Möglichkeit einen Zuschlag von bis zu 30 Prozent einzuheben. Mit dem Nächtigungsabgabengesetz wurde hier eine gesonderte Möglichkeit der Zweitwohnsitzabgabe geschaffen. Die (maximale) Höhe der besonderen Ortstaxe berechnet sich abhängig von der Nutzfläche der Ferienwohnung

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